Transformer und Matchmaker für die Circular Economy – ein Münchner Startup schenkt Produkten ein längeres Leben.

Hallo Andrea, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst ! Bitte stelle uns zu Beginn Dich und Dein Team bei koorvi kurz vor:

Hi, ich bin Andrea, Mit-Gründerin und Geschäftsführerin von koorvi (ehemals numi.). Als ich mir die Frage gestellt habe, wie ich ganz konkret etwas verändern kann, kam ich auf die Circular Economy und jetzt beschäftige ich mich seit einigen Jahren mit dem Thema. Gemeinsam mit Jan und Mario habe ich mit koorvi ein Unternehmen gegründet, das Unternehmen dabei unterstützt zirkuläre Praktiken ganz hands-on zu implementieren und neben einem nachhaltigen Effekt auch neue Geschäftspotenziale zu erschließen. Ich bringe dabei die zirkuläre und strategische Expertise, das Netzwerk und die Sales-Power mit, während Mario und Jan Experten für Konzeption, Design und Entwicklung von Software-Produkten sind.

Vielleicht möchtest Du uns Euer Startup, ganz zu Beginn unseres Interviews, kurz vorstellen ?

Mit koorvi unterstützen wir Unternehmen (Hersteller, Marken oder Händler) dabei digitale Take-Back Systeme zu implementieren. Durch die Rücknahme, Wiederaufbereitung und Weiterverkauf gebrauchter Produkte werden Ressourcen geschont und den Produkten ein weiterer Nutzungszyklus ermöglicht. Konkret bieten wir Unternehmen eine Softwarelösung, die den Prozess vom Rückkauf des Produkts von der Privatperson an das Unternehmen über die Aufbereitung bis hin zum Weiterverkauf (z.B. im Pre-loved Store) oder Recycling abbildet. Außerdem haben wir ein breites Netzwerk an Partnern, die Produkte je nach Produktzustand entweder wieder fit für den Wiederverkauf zu machen oder fachgerecht zu recyceln. Wir matchen Unternehmen mit passenden Partnern und bieten direkte Schnittstellen für eine effiziente Zusammenarbeit.

Welches Problem wollt Ihr mit koorvi lösen?

Aktuell werden viel zu viele Ressourcen verschwendet und die Nutzungszeit eines Produktes ist deutlich kürzer als die potenzielle Lebenszeit. Wir wollen den Kreislauf schließen und Brands fit für die Circular Economy machen. Dafür braucht es zum Einen eine bessere Infrastruktur für die Rücknahme und Kreislaufführung von Produkten, aber auch die smarte Nutzung von Daten kann ein großer Hebel für bessere Prozesse und geringere Kosten sein. Damit zahlen wir auch auf zunehmende Nachhaltigkeitsanforderungen und Reporting-Pflichten ein, mit denen sich insbesondere produzierende Unternehmen konfrontiert sehen.

Wie ist die Idee zu koorvi entstanden ?

Die Idee zu koorvi ist aus meiner Begeisterung für die Circular Economy und der gleichzeitigen Auseinandersetzungen mit den großen praktischen Hürden in der Umsetzung zirkulärer Praktiken entstanden. Als ich vor gut 5 Jahren in einem Programm der Ellen MacArthur Foundation (From Linear To Circular) auf über 400 Changemaker aus aller Welt traf habe ich verstanden wie vielfältig und tiefgreifend die Veränderungen sind, die wir in unserer Wirtschaft benötigen, um langfristig gut auf der Erde leben zu können. Unsere aktuelle Wirtschaft basiert in hohem Maße auf der Ausbeutung endlicher Ressourcen – und wie das Wort “endlich” schon sagt: Das kann auf Dauer nicht funktionieren. Als studierte Ökonomin habe ich mich lange gefragt, wo die größten Hebel liegen, um unsere Wirtschaft von Grund auf zu verändern und mehr in Einklang mit den planetaren Grenzen zu bringen. Als ich das Konzept der Circular Economy kennenlernte, war ich sofort überzeugt, dass hier ein bedeutendes Stück der Lösung vor mir liegt und habe mich dem Thema verschrieben. Unser Kernthema Rücknahme (Take Back) von Produkten ist aus einer genauen Analyse der größten Hürden entstanden. Wenn wir Kreisläufe schließen wollen, müssen wir insbesondere die reverse Wertschöpfungskette ab der Nutzungsphase bis zum Lebensende von Produkten neu denken und hier skalierbare Strukturen schaffen. Die Rücknahme ist hier sozusagen das “Zugangstor” zu Produkten in der Nutzungsphase und die Endkunden müssen als “Lieferanten” umgedacht und incentiviert werden, Produkte zurückzugeben. Nur so können sinnvolle Kreisläufe etabliert werden. Die daraus resultierenden Herausforderungen und unser Ansatz zur Verbesserung sind die Basis für unsere Lösung.

Wie würdest Du Deiner Großmutter koorvi erklären?

Anstatt deine nicht mehr benötigten Produkte wegzuwerfen oder auf dem Flohmarkt zu verkaufen, kannst du diese an den Hersteller zurück verkaufen. Die Produkte werden dann aufbereitet, weiterverkauft und zum Lebensende verantwortungsvoll recycelt. Wir unterstützen Unternehmen in diesem Prozess mit der technischen Infrastruktur und einem Netzwerk von passenden Partnern.

Hat sich Euer Konzept seit dem Start irgendwie verändert ?

Die Grundidee ist noch die gleiche: Produkte länger im Kreislauf halten und eine belastbare und skalierbare Infrastruktur für den gesamten Lebenszyklus von Produkten aufbauen. Auch die Hypothese, dass ein einfacher, digitaler Rücknahmeprozess in Kombination mit einem starken Datenmodell im Hintergrund zur Auswertung und Optimierung von Rücknahme und Kreislaufführung wichtig ist, hat sich klar bestätigt. Wo sich aber viel tut, ist bei der Frage nach der genauen Umsetzung dieser Prozesse. Da es sich um neue Strukturen handelt, die wir für eine zirkuläre Wirtschaft brauchen, braucht es einen gewissen ‘Pioniergeist’, um auf der grünen Wiese etwas neues aufzubauen, aber gleichzeitig auch einen Link zu bestehenden Strukturen zu schaffen. Unser Umfeld ist extrem dynamisch – es kommen beispielsweise gefühlt wöchentlich neue spannende Partner hinzu, die es zu finden gilt. Für uns ein extrem spannendes Umfeld mit enormem Potenzial.

Wie funktioniert Euer Geschäftsmodell ?

Unser Produkt ist eine Software, die im SaaS Modell angeboten wird, Brands bezahlen uns also für die Nutzung der Software. Je nach Stand des Unternehmens in Sachen Circular Economy und dem Implementierungsaufwand für unsere Lösung haben wir weitere Beratungs-, Schulungs- und Customizing-Angebote.

Wie genau hat sich koorvi seit der Gründung entwickelt?

Wir haben seit unserer Gründung stark an unserem Produkt, der Zielgruppe und unserer Kommunikation gearbeitet. Unser Thema ist sehr neu und vielen Unternehmen noch nicht geläufig. Daher hinterfragen wir uns kontinuierlich und versuchen unsere Ansprache dahingehend so einfach und klar wie möglich zu gestalten, um primär die Chancen und Benefits für Unternehmen in den Fokus zu stellen. Auch unsere Lösung entwickelt sich im kontinuierlichen Austausch mit Kunden und Partnern weiter, da wir immer besser verstehen, welche Herausforderungen in der Umsetzung von Rücknahme- und Kreislauf-Programmen aufkommen und wie wir dafür einen bestmöglichen Mehrwert stiften können.

Ein wichtiger Schritt im Januar 2024 war auch unser Rebranding. Bisher waren wir unter der Brand numi. (bzw. numi.circular) unterwegs, seit ein paar Wochen heißen wir koorvi. Das war ein großer, aber notwendiger Schritt für uns, da wir uns sicher für die Zukunft aufstellen wollten. Unser Team und unsere Mission sind aber natürlich gleich geblieben.

Was waren die Gründe für euer Rebranding?

Für das Rebranding gab es verschiedene Gründe. Durch den neuen Namen haben wir uns eine einzigartige Identität geschaffen, da wir den Namen mit keiner anderen Firma teilen und die Markenrechte geschützt sind. So sind wir vor allem online viel leichter aufzufinden. Außerdem wollten wir einen Namen, der einen Bezug zur Circular Economy hat. Das Ergebnis vieler intensiver Brainstorming-Sessions ist koorvi – Der erste Teil koor spielt auf das ungarische Wort ‘Kör’ für Kreis an und steht für unsere Ambition, jedes Produkt im Kreislauf zu halten. Das doppelte ‘oo’ stellt eine Verbindung zu den zwei Kreisläufen (biologisch und technisch) der Circular Economy her. Und der letzte Teil vi steht für den Lebenszyklus.

Wie groß ist Euer Startup inzwischen?

Das koorvi Team besteht aus uns drei Gründern Mario, Jan und mir und unserer Praktikantin Jennifer. Im Laufe dieses Jahres planen wir das Team um 2-3 Personen zu vergrößern.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?

Komplett schief gegangen ist zum Glück bisher nichts, aber wir haben dennoch viel gelernt und den ein oder anderen “Fuck up” erlebt. Von verpassten Fristen bei Finanzamt & Co, über verlorene Deals mit potenziell sehr spannenden Kunden, bis hin zu Schwierigkeiten bei der Markenanmeldung haben wir einiges mitgenommen.

Was habt Ihr daraus gelernt?

Sometimes you loose, sometimes you win – eine Gründung ist ein konstanter Fluss. Es geht weniger um die einzelnen Erfolge, sondern um eine gewisse Kontinuität. Nach gut 2 Jahren sehen wir z.B. enorme Effekte aus unserer kontinuierlichen Kommunikation und Sichtbarkeits-Arbeit u.a. bei Linkedin. Auch mein Auftreten als Expertin und starke Stimme für eine zirkuläre Transformation ist ein wichtiger Faktor für die Glaubwürdigkeit und Sichtbarkeit unseres Unternehmens. Es macht mich sehr glücklich, dass ich mich mit der Circular Economy für ein Thema engagieren kann, für das ich persönlich absolut brenne und dieses Engagement uns gleichzeitig auch beim Aufbau unseres Unternehmens hilft. Das ist für mich gelebter Purpose und macht großen Spaß – und ich glaube, das merkt man auch.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?

Wir haben uns von vornherein sehr stark damit auseinandergesetzt, welche Art von Unternehmen wir sein wollen und uns entsprechend früh mit unseren Werten und Ambitionen beschäftigt. Wir merken immer wieder, dass wir so einen klaren Kompass haben, wenn es um wichtige Entscheidungen und Schritte geht. Auch die Ansprache von Talenten funktioniert sehr gut, da Purpose und Impact Teil unserer DNA und Lösung sind, aber wir diese auch authentisch nach außen tragen können. Außerdem achten wir sehr auf gute Prozesse und Routinen und nehmen uns regelmäßig Zeit unsere Zusammenarbeit als Team zu reflektieren. Das macht uns schneller in der Umsetzung, aber auch resilienter gegenüber den vielen Herausforderungen, die uns auf unserer Gründungs-Reise begegnen.

Wie ist Euer Startup finanziert?

Wir haben den Aufbau des Unternehmens bisher primär aus Eigenmitteln, sowie mithilfe verschiedener öffentlicher Fördermittel und Stipendien finanziert. Aktuell erhalten wir das Gründungsstipendium EXIST des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) – eine große Hilfe in der aktuellen Startup-Phase. Im Herbst 2024 planen wir eine erste Finanzierungsrunde.

Was sind Eure Pläne und Ziele für die nächsten 12 Monate?

In diesem Jahr konzentrieren wir uns auf die weitere Entwicklung unserer Software mit neuen Features und erweitertem Funktionsumfang, sowie die Anbindung weiterer Shopsysteme. Wir lernen gerade enorm viel aus jedem Roll-out mit Kunden und transferieren diese Learnings in unsere Prozesse und Lösung. Abgesehen davon bauen wir unsere Sales-Kapazitäten aus, um noch zielgerichteter potenzielle Kunden anzusprechen, deren Produkte sich für die Kreislaufführung eignen und die sich strategisch bereits auf einer “Circular Journey” befinden. Besonders fokussieren wir uns auf Hersteller und Händler in den Feldern Textilien, Outdoor, Sport und Kinder. Zudem sind wir mit verschiedenen Anbietern im industriellen Kontext im Prozess, da es hier ebenso große Potenziale für die Rücknahme von Produkten, insbesondere für Remanufacturing und Gewinnung von Sekundärmaterialien durch Recycling gibt. Wir freuen uns, wenn Unternehmen aktiv für einen Austausch auf uns zukommen!

Vielen Dank für das Interview.

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